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'Hippels "Über die Ehe"'
 
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Theodor von Hippel: Klagen über die Vorurtheile beym Heirathen. Traum zur Abhelfung Über die Ehe (1974)

"Die Ehe ist eine Last, und zu Uebernehmung einer jeden Last muß man aufgemuntert, nicht aber behindert werden. Was man schon auf den Schultern hat, trägt man eher, als was man sich noch auflegen soll. Ein wahrer Beweiß, daß die Menschen mehr können, als sie sich zutrauen, mehr haben, als sie brauchen und aus Unordnung in Absicht ihrer Rechnungen, ofte Kapitalien leihen und Interessen bezahlen, da sie hingegen welche verlehnen, und Interessen ziehen könnten. Kann man gut zur Miethe wohnen, warum sollte man sich sein eigenes Hauß anschaffen? Wir sind Pilgrimme in der Welt: Kein Wunder, daß wir die Veränderung lieben. Ein Eigenthümer selbst trägt sich entweder mit den Gedancken herum, ein andres Hauß anzuschaffen, oder zieht wenigstens aus einem Zimmer ins andre. Im sechszigsten Jahr wünscht sich alle Welt ein Landgut zum Zeichen, daß die Natur abgelaufen ist. Es läßt sich viel über das sagen, was ich angefangen habe, wenn man sich die Ehe als ein Hauß vorstellt: Allein es läßt sich noch mehr darüber dencken. Vielleicht hat die deutsche Sprache darum dem Wort Frau, das sonst wenig anpassende Wort Zimmer angehangen. Erhält man die Vorzüge der Ehe, ohne die Pflicht eine Frau Tag und Nacht zur Seite haben, und allerley Wind und Wetter übernehmen zu dürfen, so wird sich jeder bedencken zu heirathen. Der Staat sollte auf nichts ein so wachsames Auge haben, als auf die Abstellung aller Vorurtheile, welche Ehen hindern können, denn die Ehe ist ein kleiner Staat. So wie es in den meisten Häusern zugeht, so geht es in der Stadt zu, und so wie in den meisten Städten, so im Lande. Man hatte bey den Römern Aufmunterungen zur Ehe, und noch wird man in vielen Theilen von Deutschland finden, daß gewisse kleine Strafen für diejenigen ausgesetzt sind, die sich nicht verheirathen, nachdem sie einige Jahre Bürger gewesen. Das berühmte Hagestolzenrecht ist der vollkommenste Beweiß von der Nothwendigkeit, die dem Staat oblieget, die Zahl seiner Bürger zu vermehren. Viel Kinder, viel Paternoster, sagt man an einigen Orten Deutschlandes. (...) Doch alle diese Mittel insgesamt, so praktisch sie gleich noch bis jetzo werden könnten, sind nicht diejenigen, welche junge Leute zur Heirath auffordern sollten: Man muß ihnen die Ehe angenehm und leicht machen.
Man erlaube mir einzuschlafen, und nachhero einen Traum darüber zu erzählen. Wem er nicht gefällt, der bilde sich ein, daß ich im Schlafe geredet hätte. Mir träumte es wäre ein Staat, wo die Frauenspersonen keinen Rang behaupteten, und mir träumte dieses wäre ein Einfall der auf ein gut Land fallen, und tausendfältige Früchte bringen könnte. Die Weiber können nach den Rechten nicht viel mehr ohne Vormund und Beyhülfe thun, als zu Bette gehen (...) Alle Frauenzimmer sollten gleich seyn. Im Orient, wie man erzählt, geht es mit den Mädchen wie im Himmel zu, wo kein Ansehen der Person ist. Der vornehmste heirathet das gemeinste und die Tochter eines Königs glaubt kein Recht zu haben, einen König zu heirathen, sie verlangt nicht einen König, sondern was eben so viel ist - einen Mann.

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