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Ehe als Vertrag

Die kirchlichen Ansprüche an die Ehe waren doktrinär festgelegt. Neben der Kirche nahmen schon früh die weltlichen Obrigkeiten - Könige, Fürsten, Magistrate - durch verschiedene Ehe-Edikte Einfluss. Schon im 17. Jahrhundert wurde beispielsweise durch den französischen König geregelt, dass Ehen öffentlich sein sollten. Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten gab es auch nach Auffassung der weltlichen Autoritäten nicht.

Erst im 18. Jahrhundert begann man, diese Bevormundung von oben in Frage zu stellen. Es waren zunächst die sogenannten Naturrechtsphilosophen, welche eine vom einzelnen her gedachte Konzeption der Ehe entwarfen. Als frühe Aufklärer plädierten sie für die Ablösung einer direkt von Gott und Kirche bestimmten durch eine von Menschen gestaltete Ordnung. Das heißt nicht, dass sie nicht religiös gewesen wären. Ihr Gott war vielmehr ein Schöpfer, der für das Wirken vernünftiger Prinzipien in der Welt gesorgt und den Menschen mit Ver-nunft ausgestattet hatte. Die Menschen konnten demzufolge ihren Verstand benutzen, um die Welt zu ergründen und zu gestalten. Der Aufklärungsgott konnte sich daher, nach Vollendung der Schöpfung, weitgehend aus den irdischen Dingen zurückziehen.

Ein wichtiges Instrument zur Organisation der menschlichen Sphäre war für die Aufklärung das Vertragsrecht, das im Privatrecht längst angewandt, jetzt aber verstärkt auf den politischen und gesellschaftlichen Sektor übertragen wurde. Bekanntestes Beispiel ist der von Jean-Jacques Rousseau (siehe Kap. 3.3 [1] ) konzipierte "Gesellschaftsvertrag", der ältere Ver-tragsmodelle aufgreift und weiterentwickelt.

Abbildung 5:

Titelblatt des Contract Social von Jean-Jacques Rousseau

 

 

Internet-Quelle [2]

Das europäische Naturrechtsdenken blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Denken über Ehe und Geschlechterbeziehungen. Die Aufklärer begannen, auch die Ehe als einen Vertrag zu sehen, bei dem - zumindest in der Theorie - jeder Punkt frei verhandelbar sein müsste. Was die praktische Umsetzung anging, plädierten die Naturrechtslehrer jedoch dafür, die Vertragsehen weitgehend auf die Regeln der kirchlichen Ehelehre abzustimmen. So schlug etwa Christian Thomasius [3] vor, die ehemännliche Autorität durch den Abschluss eines Kapitulations-, also Unterwerfungsvertrages zu stützen. Weniger streng als die Kirche sahen die frühen Naturrechtsphilosophen jedoch die Frage der Unauflöslichkeit der Ehe.

Abbildung 6:

Christian Thomasius

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Gertrud Schubart-Fickenscher, Weimar 1954

In der Zeit um 1800 erreichte das Vertragsdenken über die Ehe einen ersten Höhepunkt: Der Philosoph Karl Ludwig Pörschke (1752-1812) schrieb 1795: "Die Ehe ist ein Vertrag zwischen Personen beiderlei Geschlechts, um zusammen in der engsten Verbindung zu leben (...) Der Zweck bei der Ehe muß jedes Willkür überlassen werden, jeder darf bei seiner Heirat Bedingungen eingehen, welche er will, er darf die Ehe auf so lange als er will schließen und sie mit Einwilligung des andern Teiles auch vor der Zeit aufheben (...) nur durch Verabredungen und durch Einwilligung erlangt ein Teil die Herrschaft über den anderen." (Vorbereitung zu einem populären Naturrechte, Königsberg 1795, S. 230-34.) So wollte die Aufklärung auch in Ehefragen den Menschen aus der Unmündigkeit führen. Die praktische Umsetzung solcher Gedanken in geltendes Recht verlief parallel zu den Debatten. Das preußische Allgemeine Landrecht (siehe Kap. 4.1 [4] ) und der französische Code Civil (siehe Kap. 4.2 [5] ) waren erste Ergebnisse.