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Einleitung

Man könnte meinen, dass Gefühle und Bindungen zwischen Frau und Mann etwas Zeitloses sind. Doch schon ein Blick in die eigene Familiengeschichte zeigt, dass dies nicht stimmt. Unsere Eltern und Großeltern verbinden mit Liebe, Partnerschaft, Ehe und Familie ganz andere Vorstellungen und Erwartungen als wir. Es lohnt sich, sie danach zu fragen oder gar ein kleines Oral History Projekt zu diesem Thema auf die Beine zu stellen. Selbst ohne Studium der Vergangenheit lässt sich der Gesinnungswandel im Bezug auf die Ehe nachvollziehen: So gab es im Jahr 2001 eine große Debatte über die sogenannte "Homo-Ehe" [1] , die eine Reihe von traditionellen Vorstellungen in Frage stellte. Die Menschen, die vor 200 Jahren in Europa liebten und heirateten, können wir nicht mehr befragen. Insofern sind wir auf andere Quellen - Texte und Bilder - angewiesen, um ihre Vorstellungen und Überzeugungen im Bezug auf die Ehe kennenzulernen.

Abbildung 1:

Paar um 1800

 

 

Quelle: Béatrice Gottlieb, The familiy in the Western World from the Black Death to the Industrial Age, New York/Oxford 1993, S. 94

Abbildung 2:

Paar um 1900

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [2]

Abbildung 3:

Paar um 2000

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [3]

Die Jahre um 1800 sind für Europa eine Zeit grundlegender Veränderungen. Der Bielefelder Historiker und Philosoph Reinhard Koselleck hat von einer "Sattelzeit" gesprochen. Man muss dabei an einen Bergsattel denken, der die Gebirgslandschaft einteilt, ohne jedoch eine scharfe Trennlinie (wie ein Grat) zu sein. Entsprechend ist die "Sattelzeit" ein allmählicher Übergang zwischen zwei Großepochen: der Frühen Neuzeit und der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Am deutlichsten wird der Umbruch um 1800 am Beispiel der Französischen Revolution [4] die 1789 ihren Anfang nahm und das Gesicht Europas veränderte. Doch es wäre falsch, die Geschichte der "Sattelzeit" auf die Geschichte der Großen Revolution zu reduzieren; die Veränderungen waren vielfältig und vielgestaltig.

Auch die Geschichte von Geschlechterbeziehungen und Ehe nahm um 1800 eine entschei-dende Wende und Kurs auf unsere Zeit hin. Das heißt nicht, dass uns die Einstellungen von Männern und Frauen dieser Epoche nicht teilweise fremd wären, sondern lediglich, dass uns die Konzepte ihrer Vorfahren noch deutlich fremder gewesen wären. Entscheidend waren vor allem drei Debatten, aus denen das sogenannte "bürgerliche Ehekonzept des 19. Jahrhunderts" hervorging: erstens die Debatte darüber, ob die Ehe ein kirchliches Sakrament oder ein weltlicher Vertrag ist; zweitens die Herausbildung einer spezifischen Vorstellung von Liebe. Drittens die langanhaltenden Debatte über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die in der Ehe ihren Niederschlag findet. Diese Entwicklungen sollen am Beispiel von Deutschland [5] und Frankreich [6] nachvollzogen werden.