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Theodor Fontane: Prolog zur Feier des zweihundertjährigen Bestehens der Französischen Kolonie

Sechs lebende Bilder aus der Zeit der Hugenottenkämpfe von 1572-1685

Der Prolog ist in der vorliegenden Form abgedruckt bei: Richard Béringuier: Ausführliche Beschreibung der Feier zum 200jährigen Jubiläum des Ediktes von Potsdam (29. Oktober 1685) begangen von den französisch-reformirten Gemeinden in Brandenburg-Preußen, gewidmet den kommenden Geschlechtern, Berlin 1885, S. 47-48.

Er führt auf die sechs "lebenden Bilder" zur Geschichte der Hugenotten in Frankreich hin, die während der Jubiläumsfeier1885 aufgeführt wurden und deren Einführungstexte genauso wie der Prolog von Theodor Fontane verfaßt wurden. Abgedruckt sind diese Einführungstexte in der vorliegenden Form einschließlich der Inhaltsbeschreibung der Bilder bei: Richard Béringuier: Ausführliche Beschreibung der Feier zum 200jährigen Jubiläum des Ediktes von Potsdam (29. Oktober 1685) begangen von den französisch-reformirten Gemeinden in Brandenburg-Preußen, gewidmet den kommenden Geschlechtern, Berlin 1885, S. 49-54.

Theodor Fontane
Prolog zur Feier des zweihundertjährigen Bestehens der Französischen Kolonie

Zweihundert Jahre, daß wir hier zu Land
Ein Obdach fanden, Freistatt für den Glauben,
Und Zuflucht vor Bedrängnis der Gewissen.
Ein hochmuther Fürst, so frei wie fromm,
Empfing uns hier, und wie der Fürst des Landes
Empfing uns auch sein Volk. Kein Neid ward wach,
Nicht Eifersucht, - man öffnete die Thür
Und hieß als Glaubensbrüder uns willkommen.
Land-Fremde waren wir, nicht Herzens-Fremde.
So ward die Freistatt bald zur Heimathstätte,
Drin schlugen Wurzel wir und was seitdem
Durch Gottes Rathschluß dieses Land erfahren,
Wir lebten's mit, sein Leid war unser Leid
Und was es freute war auch unsre Freude.
Wohl pflegten wir das Eigne, der Gemeinde
Gedeihn und Wachsthum blieb uns Herzenssache,
Doch nie vergaßen wir der Pflicht und Sorge,
Daß, was nur Theil war auch dem Ganzen diene.
Mit fleiß'ger Hand, in Allem wohlerfahren,
Was älterer Kultur und wärmrer Sonne
Daheim entsproß und einem reichren Lande -
So wirken wir. Und Gottes Segen krönte
Der Hugenotten redlich Mühn, daß reich
Und glücklich manch Geschlecht dahier erblühte
Als eine Zierde unsrer neuen Heimath.
Sy, Godet, Humbert, Mathieu, Bourgignon,
Roux, Jordan, Erman, Rousset, Michelet,
Sarre, Révir, Reclam, Naudé, Cabanis,
d'Heureuse, Plantier, Charton, Lancizolle -
Und hundert Andre, die ich nennen könnte
Gleich guten Klanges, ja berühmtere noch.
Verschieden all, in Einem aber einig:
Von Herzen treu dem Land, dem Fürstenhause,
Das, treu des Ahnherrn edelstem Vermächtnis,
Von Fürst zu Fürst uns gnädiglich beschütze -
Dem hocherhabenen Haus der Hohenzollern.
Doch nicht zu rühmen ist, was heut uns ziehmt,
Heut ziemt uns nur zu huldigen, zu danken,
Und dieser Dank, was lieh' ihm größ're Kraft
Und Inbrunst, als ein Rückblick auf das Leid, das unsre Väter aus der Heimath trieb. -
Erklinge denn Musik und führ' herauf,
Im Widerspiel zu dieser Stunde Glück,
Uns Bilder aus der Zeit der Hugenotten.

Theodor Fontane
Sechs lebende Bilder aus der Zeit der Hugenottenkämpfe von 1572-1685

ERSTES BILD
(Karl IX. stellt das neuvermählte Paar, Heinrich von Bourbon und Margarete von Valois, seinem Hofe vor. Im Vordergrund reicht Heinrich von Guise dem Admiral Coligny die Hand. 23. August 1572)
"Auf Frankreichs Throne sitzt der neunte Karl,
Der Sohn der Medici; Festglocken klingen
Und zur Vermählung seiner schönen Schwester
Margot von Valois mit Heinrich Bourbon,
Erbprinzen von Béarn und von Navarra,
Sind alle Großen seines Reichs geladen,
Auch die, die man nicht liebt, die Hugenotten.
Und Alle kamen, keiner fehlt im Zuge,
die Sorglichsten entschlugen sich der Sorge,
Selbst Marschall Coligny. Todt ist der Haß,
Wach wir die Liebe, "der Vermählung Tag" -
So hofft das Herz - "wird Tag auch der Versöhnung".
Die Fürsten stehn vereint, und in die Freude
Des ganzen Volks stimmt ein der Hugenott".

ZWEITES BILD
(Karl IX. zeigt dem Herzog Heinrich von Guise aus einem geöffneten Fenster im Louvre die von ihm erschossenen Hugenotten, während ein Hellebardier die geladene Muskete dem König hinhält. Im Vordergrund rechts sitzen Catharina von Medici und ein päpstlicher Legat beim Schachspiel, links hält Margarethe von Valois den mit gezogenem Degen zur Thür hereinstürmenden Heinrich von Navarra zurück. Die Pagen halten Präsentirteller mit Weinbechern. 24. August 1572.)
"Ein kurzer Freudentag. In List ersonnen
War die Versöhnung. An der Hochzeitstafel
Entzündete der Haß nur seine Brände.
Lug, Trug war Alles, Sankt Bartholomé
Straft jeder Hoffnung Lüge; Blutvergießen
Auf Platz und Gasse, von den Thürmen stürmt es
Und Qualm und Lohe schlagen auf zum Himmel.
Und sieh, an hoher Fensterthür im Louvre
Steht König Karl, noch birgt ihn die Gardine,
Nun aber tritt er vor, er zielt, er trifft,
Ein Jagdgrund ward Paris ihm, und sein Wild
Der Hugenott. Ein Schrei geht durch Europa,
Als es vernimmt: Ein Fürst schießt auf sein Volk."

DRITTES BILD
(Heinrich IV. zeigt dem Obersten und Gouverneur Mornay, Seigneur du Plessy-Marly, das eben unterzeichnete Edikt von Nantes, während Minister Sully dem freudig erstaunten Obersten zulächelt. 13. April 1598.)
"Erbarmen endlich faßt ein Gott im Himmel,
Und Hoffnung wieder faßt der Hugenott.
Erloschen ist Haus Valois, zu Grabe
Trug man den letzten, und an seine Stelle
Tritt der Bearner: Heinrich von Bourbon.
Ein Lichtstrahl schon sein Name: Henri quatre.
Nicht nur des Landes, auch des Einzeln Wohl
Liegt ihm am Herzen, weg mit der Bedrückung,
Mit Glaubenszwang, mit Kerker, Schwert und Feuer,
Er will die Freiheit, Glück und Recht für Alle,
Weß Glaubens auch: Und daß Gesetz es werde,
Verbrieft er es mit seinem eigenen Namen
Und unterzeichnet das Edikt von Nantes."

VIERTES BILD
(Ludwig XIII. empfängt mit Kardinal Richelieu die Schlüssel der belagerten und ausgehungerten Stadt La Rochelle in Gegenwart seiner Offiziere und Soldaten. 29. Oktober 1628)
"Edikt von Nantes! Und sieh, der Hugenott,,
Er athmet auf, so lang' der König athmet,
Der gute König, der den Freibrief schrieb.
Da trifft den Herrlichen des Mörders Dolch,
Und jener Dolchstoß, der ins Herz ihn traf, Traf auch das unsre.
Hin ist unsre Freiheit, Und was uns schützen soll, nur todter Buchstab.
Anhebt aufs Neu' Bedrückung und Verfolgung,
In feste Plätze flieht der Hugenott
Und La Rochelle wird letzte Zufluchtstätte.
Man ringt verzweifelt, aber ach, umsonst.
Ein letzter Rest (es sind nur Schatten noch),
Der Kämpfe, Krankheit, Hunger überdauert,
Schleicht sich ins Lager, bis ins Zelt des Königs
Und beugt das Knie und ruft ihn an um Gnade.
Zur Seite finster steht der Kardinal."

FÜNFTES BILD
(Eine Dragonade. Scene aus den Bedrückungen der Hugenotten durch Dragoner Ludwigs XIV. - Ein Dragoner versteigert die den hugenottischen Bauern abgenommene Habe an katholische Bauern, deren Frauen und Töchter mit Dragonern scherzen. Im Vordergrund rechts ein dinirender höherer Offizier, links ein anderer Offizier, welchen die Geplünderten vergeblich um Schonung anflehen. 1685)
"Rochelle gefallen und gewährt die Gnade.
Bedrückung aber bleibt nicht nur, sie wächst,
Und jedes freie Wort um Glaubens willen,
Das nichts erstrebt als Wahrung der Gewissen,
Man straft's als Hochverrath und Felonie.
Was Hugenott ist, ist verfehmt, gezeichnet,
Sie sind nicht bloß Abtrünnige der Kirche,
Nicht bloß von Papst und Rom, nein auch des Königs,
Und zum Gehorsam sie zurückzuzwingen,
Ist Recht und Pflicht und jedes Mittel gilt.
Hinweg die Milde. Milde nährt den Aufstand
Und schürt die Flamme nur, nur Schwert bringt Heilung,
Und in den Frieden einsam frommer Heerden
Einbricht der Wolf. Die Welt nennt's Dragonaden."

SECHSTES BILD (Ludwig XIV. ist im Begriff die Aufhebung des Edikts von Nantes , von der Frau von Maintenon getrieben, welcher Père Lachaise triumphierend zunickt, zu unterschreiben. 18. Oktober 1685) "In Asche Dorf und Stadt, zerstampft die Felder, Erzwingen will man's, alles Thun ist Hohn. Und doch, verhöhnt auch jeder neue Tag Das, was Gesetz ist, jede nächste Stunde Kann's umgestalten und es glücklich wenden. An Stelle derer, die das Recht mißachten, Wie bald vielleicht erscheint ein Freund des Rechts, Um strahlend hell es wieder herzustellen. Was auch geschehn ist, das Gesetz ist da, Noch lebt der Freibrief, wenn auch tief verschüttet. So geht der Trost. Da sinkt die letzte Hoffnung: Einflüsternd siegreich in das Ohr des Königs Sprach die Marquise, sprach die Maintenon - Und das Edikt , das Henri quatre gegeben, Louis quatorze hebt es wieder auf. Der Freibrief ist vernichtet, ist zerrissen, Der Calvinist steht außer dem Gesetz, Und rechtlos worden, nimmt er seinen Stecken Und läßt sein Land. Gott mit Dir, Hugenott!"

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