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'Fichtes Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre'
 
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Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre (1796)

§ 16
In dem Begriffe der Ehe liegt die unbegrenzteste Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes; nicht aus einem juridischen, sondern aus einem moralischen Grunde. Sie muss sich unterwerfen um ihrer eigenen Ehre willen. - Die Frau gehört nicht sich selbst an, sondern dem Manne. Indem der Staat die Ehe, d.i. gerade dies ihm wohlbekannte, nicht durch ihn, sondern durch etwas Höheres als er, begründete Verhältnis anerkennt, thut er Verzicht darauf, das Weib von nun an als eine juridische Person zu betrachten. Der Mann tritt ganz an ihre Stelle; sie ist durch ihre Verheirathung für den Staat ganz vernichtet, zufolge ihres eigenen nothwendigen Willens, den der Staat garantiert hat. Der Mann wird ihre Garantie bei dem Staate; er wird ihr rechtlicher Vormund; er lebt in allem ihr öffentliches Le-ben; uns sie behält lediglich ein häusliches Leben übrig.
Die Garantie des Mannes für die Frau versteht sich von selbst, denn sie folgt aus der Natur ihrer Verbindung; ihre Grenzen werden wir tiefer unten sehen. - Jedoch kann es nicht undienlich seyn, dass er sie noch besonders erkläre, ausdrücklich sich zum Bürger für dieses Weib einsetze. Man kann das Ja des Mannes bei der Trauung als die Zusicherung dieser Garantie ansehen, und nur unter dieser Bedingung erhält es einen Sinn.

§17
Im Begriff der Ehe liegt, dass die Frau, die ihre Persönlichkeit hingiebt, dem Manne zugleich das Eigenthum aller ihrer Güter und ihrer ihr im Staate ausschließlich zukommenden Rechte übergebe. Indem der Staat eine Ehe anerkennt, anerkennt und garantiert er zugleich dem Manne das Eigenthum der Güter seiner Frau - nicht gegen die Frau; denn mit dieser ist der Voraussetzung nach kein Rechtsstreit möglich, sondern gegen alle übrigen Bürger.
(...)

§18
Es bedarf keiner Gesetze des Staates, um das Verhältnis der Eheleute unter einander zu ordnen; es bedarf ebensowenig der Gesetze, um das Verhältniss beider gegen andere Bürger zu ordnen. (...) Wie der Staat die Eheleute ansieht, als eine juridische Person, deren äusserlicher Repräsentant der Mann ist und ihre Vermögen als ein Vermögen: so ist jeder einzelne Bürger verbunden, sie gleichfalls anzusehen. Bei Rechtsstreitigkeiten hat jeder sich an den Mann zu halten; unmittelbar mit der Frau kann keiner etwas abzumachen haben. Alles, was daraus folgt, ist die Schuldigkeit der Eheleute, ihre Ehe unter denen, mit welchen sie zunächst zu thun haben.

§ 19
Ursprünglich, d.i. der blossen Naturanlage nach, geht der Mann allerdings auf Befriedigung des Geschlechtstriebes aus. Wenn er aber entweder vor der Ehe durch Nachdenken und Belehrung, und in dem wirklichen Umgange mit ehrwürdigen Personen des weiblichen Geschlechts (besonders an seiner Mutter), lernt, dass im Weibe Liebe wohne, und sie nur aus Liebe sich ergeben solle, so veredelt sich auch bei ihm der blosse Naturtrieb. Auch er will nicht mehr bloss geniessen, sondern er will geliebt seyn.

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