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'Kaiserliche (deutsche) Europavorstellungen'
 
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Französischer Europapragmatismus und kaiserlicher Universalismus im Mittelalter

1157 prägte Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Ausdruck „Heiliges Reich“, um diese Ordnung zu beschreiben. Friedrich, der erste aus dem Geschlecht der Hohenstaufen, verstand sich ausdrücklich als der weltliche Herrscher aller Christen. [In der Praxis ließ sich dieser Anspruch aber nicht auf Dauer durchsetzen.] Ohne die massive Unterstützung durch Dante und seine Schrift De Monarchia wäre der Anspruch des Kaisers, höchster weltlicher Souverän auf dem Kontinent zu sein, wohl jämmerlich untergegangen. Doch bevor wir uns Dante zuwenden, mag es nützlich sein, in zwei etwas frühere, allerdings weniger bedeutende Schriften hineinzusehen. Es geht um Engelbert von Admont (1250-1331) und Alexander von Roes, die beide zu Beginn der 1280er Jahre schrieben. Engelbert hielt am Reich fest, weil Europa, trotz aller Unzulänglichkeiten, leichter Ruhe und Sicherheit mit dem Reich als ohne es erlangen könne. Interessant ist auch, dass er von einer untergründigen Einheitlichkeit des Kontinents ausgeht. Trotz aller ethnischen, sprachlichen und kulturellen Verschiedenheiten lebten alle Völker Europas, so unterstrich er, nach den Regeln des Naturrechts und des Römischen Rechts. Deshalb sollte der Römische Kaiser als rechtmäßiger Herrscher an der Spitze eines pyramidenartig strukturierten sozialen und politischen Gebildes, das durch gemeinsame christliche und rechtliche Grundsätze zusammengehalten wurde, anerkannt werden.

Alexander von Roes war ebenfalls darauf bedacht, vor Unordnung zu warnen. Sein Traktat, der weite Verbreitung fand, wurde hauptsächlich geschrieben, um die Interessen der Deutschen gegen die päpstlichen und französischen Ambitionen auf die europäische Vorherrschaft zu verteidigen. Er skizzierte eine Art Triumvirat, in dem dem deutschen Kaiser die politische, dem italienischen Papst die spirituelle und dem französischen König die intellektuelle Herrschaft zugeordnet wurde.

Dante (1265-1321) unterscheidet sich von den vorher besprochenen Autoren wesentlich. Er war kein Kleriker, sondern ein Laie, ein erfahrener Politiker und ein begnadeter Schreiber, dessen Buch De Monarchia sich um das Thema des Universalreichs drehte und einen wesentlichen Beitrag zur politischen Theorie lieferte. Er befasste sich mit diesem Problem offensichtlich im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, denn er hinterließ eine unvollendete Abhandlung auf Italienisch, die er vor der Publikation von De Monarchia im Jahre 1311 geschrieben hatte.

In Anbetracht seines laizistischen Hintergrunds ist Dante im Gegensatz zu anderen Schreibern seiner Zeit bemüht deutlich zu machen, dass es ihm um die weltliche Macht geht, unbelastet von den Zwischentönen geistlicher Autorität. Als Friedensbewahrer und Born der Gerechtigkeit sei ein Universalmonarch nützlich. Seine Aufgabe sei es, über dem mörderischen Kampf miteinander hadernder Staaten zu stehen und diesen Kampf zu drosseln. Dante war vom Beispiel der antiken Pax Romana beeindruckt. Weiter brachte er vor, dass eine wieder zum Leben erweckte Universalmonarchie ihre Autorität direkt von Gott und nicht über den Papst als Mittler ableitete. Und Dante wagte sich noch weiter vor: Er traf eine Unterscheidung zwischen Menschheit und Christentum, zwischen dem universalen Staat der Menschen und der Christenheit. Politik und Regierung gehören ausschließlich in den ersten Bereich.

Bei Dante läßt sich nur ein sehr schwach ausgebildetes Europakonzept entdecken. Dennoch hat Dantes Theorie der Universalmonarchie Bedeutung für die Geschichte der europäischen Einheit. Er säkularisierte das europäische politische Denken und schlug eine Art föderale Struktur von Staaten unter der Führung eines obersten Friedensbewahrer vor. Er stellte einen Rahmen zur Verfügung, der sich für die Bedürfnisse späterer Jahrhunderte in einer Weise leicht anpassen ließ, wie es das nachhaltig verchristlichte Denken der Zeit von Karl dem Großen bis Bonifaz nicht hatte erlauben können.


Quelle: Derek Heater: Europäische Einheit. Biographie einer Idee. Aus dem Englischen von Wolfgang Schmale und Brigitte Leucht (Herausforderungen; 8), Bochum 2003, S. 20, 26-28; Zusatz in [...] von Wolfgang Schmale (mit freundlicher Genehmigung des Dr. Winkler-Verlages Bochum)

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