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'Die langfristige Konjunkturentwicklung und ihr Einfluss auf die französische Wirtschaft'
 
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Die langfristige Konjunkturentwicklung und ihr Einfluss auf die französische Wirtschaft

Generell ist festzustellen, dass die langanhaltende Krise des späten Mittelalters in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von einer säkularen Aufschwungs- und Wachstumsphase in Europa abgelöst wurde. "Die Bevölkerung nahm zu, Landwirtschaft und gewerbliche Wirtschaft expandierten, die Märkte weiteten sich bis tief in die überseeische Welt hinein aus, Handelsvolumen und Geldumlauf vergrößerten sich." [13] Parallel dazu stiegen die Preise an, insbesondere auf dem Sektor der Nahrungsmittel, des Grundbedarfs.

Frankreichs wirtschaftliche Entwicklung war von ungefähr 1470 bis um 1570 durch eine Prosperitätsphase gekennzeichnet, wobei allerdings kurzfristige und regionale Abweichungen nicht berücksichtigt sind. Der beschleunigte Konjunkturaufschwung setzte 1460/70 ein und erstreckte sich bis in die Jahre 1510/20. Dank dieses rapiden Aufschwungs wurde die Regierung Franz' I. (1515-1547) zum "Frühling des französischen Handels" (printemps du commerce français). Diesem beschleunigten Anstieg folgte eine längere Phase auf hohem Niveau, die indessen einige Ausschläge nach oben und unten aufwies. Im Jahrzehnt von 1550 bis 1559, also bereits vor Beginn der Religions- und Bürgerkriege [1] , lassen sich die ersten Anzeichen einer konjunkturellen Wende erkennen, die dann zwischen 1567 und 1575 manifest wurde. Nach 1575 war die Krise allgemein erkennbar: in Lyon, dem Handelszentrum des 16. Jahrhundert, in Paris, Rouen und Bordeaux.

Die französischen Atlantikhäfen zu Beginn des 17. Jahrhunderts
Quelle: A. Pletsch, Frankreich, Darmstadt 2003, S. 135

Die Jahre zwischen 1593 und 1597 markieren den tiefsten Punkt des Niedergangs der Wirtschaft und des Handels in Lyon. In den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts zeichnete sich dann eine gewisse Erholung ab. Auch an der Atlantikküste ist zwischen 1571/80 und 1611/20 eine Verbesserung der Handelsaktivitäten zu konstatieren. Dies waren wohl aber nur kurzfristige Symptome, keine endgültige Wende zu einer langfristigen konjunkturellen Erholung: im Gegenteil. Frankreich wurde spätestens seit 1620/30, wenn auch mit regionalen Abweichungen, von einer säkularen Depression, zumindest von einer wirtschaftlichen Stagnation erfasst, die in einigen Provinzen durch Missernten der Jahre von 1660 bis 1662, in anderen durch die noch nicht ganz überwundenen Folgen des Bürgerkriegs der Fronde verstärkt wurden.

Der Verfall der Reallöhne von 1470 bis 1650 am Beispiel der Bauhandwerker von Paris und Lyon
Quelle: Ilja Mieck: Die Entstehung des modernen Frankreich 1450 bis 1610, Stuttgart 1982, S. 108    

Ebenso wie im mediterranen Europa setzte auch im Süden Frankreichs kurz nach 1600 innerhalb des Gesamtbereichs der Preise eine rückläufige Entwicklung ein, die sich zunächst langsam und kaum wahrnehmbar vollzog, dann aber nach dem Jahrzehnt 1620/30 ganz deutlich fassbar ist. Wies die anhaltende Baisse während der zwanzig Jahre zwischen 1630 und 1650 noch regionale Unterschiede auf, so ist sie nach 1660 überall in Frankreich festzustellen. Im Verlauf der folgenden 70 bis 80 Jahre, also bis in die Zeit um 1730/40, kam es nur noch vorübergehend infolge kurzfristiger Entwicklungen zu einem Wiederanstieg der Preise, der jedoch den langfristigen Preisverfall - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - nicht zu beeinflussen vermochte. Dass sich die Rezession im Handel und der Verfall der Preise negativ auf die gewerbliche und agrarische Produktion auswirkten, bestätigen Regionalstudien. So ergibt sich hinsichtlich der Textilproduktion in Reims, Lille, Valenciennes, Amiens und Beauvais, dass sie während der gesamten Regierungszeit Ludwigs XIV. (1643-1715) niemals den hohen Stand erreichte, den sie in den Jahren zwischen 1625 und 1635 aufwies.

Getreidepreise in Paris und Toulouse 1480 bis 1700
(in livres tournois/sétier = 1,56 hl)
Quelle: Ilja Mieck: Die Entstehung des modernen Frankreich 1450 bis 1610, Stuttgart 1982, S. 68

Die Periode zwischen 1660 und 1700 war von einer Stagnation bei reduzierter Produktion gekennzeichnet, wenn man von einigen kurzfristigen günstigeren Entwicklungen absieht, die mehr oder minder auf die merkantilistischen Aktivitäten Colberts [2] zurückzuführen sind. Hinsichtlich der agrarischen Produktion ist für das Languedoc ein Einbruch beim Weinanbau für die Zeit um 1650/60 nachgewiesen worden, der im Abstand von etwa 20 Jahren dann bei der Getreideerzeugung ebenfalls einsetzte. Wenn es wohl auch einzelne Sektoren oder Regionen in Frankreich gegeben hat, die von dieser Entwicklung weniger erfasst wurden, so scheint doch das Gesamtbild von einer langfristigen wirtschaftlichen Depression für das 17. Jahrhundert zutreffend zu sein. Indessen ist zu konstatieren, dass sich während des Spanischen Erbfolgkrieges [3] (1701-1713) in den Hafenstädten Marseille, Nantes, Bordeaux, Saint-Malo, La Rochelle und Le Havre die Schicht großer Kapitalisten herausgebildet hat. Zum ersten Mal erreichte damals das Vermögen einiger weniger Großkaufleute und Großreeder das Niveau der Familien des hohen Landadels bzw. der Pariser Großhändler. Im übrigen konnte nachgewiesen werden, dass der Kolonialhandel durch die zahlreichen Kriege Ludwigs XIV. nicht besonders in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um 1715 blühte er mehr denn je.