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Vorbemerkung

Die Französische Revolution hat die seit der Renaissance sich vollziehende Entwicklung des Abendlandes zu immer stärkerer Säkularisierung aller Werte zur Erfüllung gebracht und ein neues Zeitalter heraufgeführt, in dem zunächst Frankreich und darüber hinaus Europa völlig umgestaltet worden ist. Sie war in ihrem universalhistorischen Ergebnis die zusammenfassende Verwirklichung so vieler, seit etwa drei Jahrhunderten vorgeformter Möglichkeiten und wurde gleichzeitig eine Weltbewegung von zukunftsträchtigem Ausmaß. Dass sich diese Umwälzung gerade in Frankreich abgespielt hat, ist kein Zufall gewesen. Denn dieses Land hatte am frühesten den zentralisierten Staat, die individualistische Wirtschaft und den rationalen Geist hervorgebracht, eine Entwicklung, der die französischen Könige kräftig Vorschub geleistet hatten.

"Le fardeau des privilèges" (Die Bürde der Privilegien).
Diese zeitgenössische Darstellung versinnbildlicht die Gesellschaftsstruktur des Feudalismus und des monarchischen Absolutismus, die mir der Revolution abgeschüttelt wurden.

Quelle: revolution.1789.free.fr/page-1.htm

So wurden sie selbst zu Vorbereitern einer Revolution, die zwar die überlieferten Formen des Feudalismus und monarchischen Absolutismus zerstörte und in dieser Beziehung den radikalen Bruch mit der Vergangenheit bedeutete, andererseits aber auch jenen zentralisierten Staat vollendete, der seine Verbindung mit dem Königtum in dem Augenblick abschütteln konnte, in dem dieses überflüssig wurde, weil die Idee der "Nation" lebenskräftig genug geworden war, die Führung selbst zu übernehmen. Dies geschah unter Ausbildung einer neuen, demokratischen Gesellschaftsordnung, deren Struktur individualistisch war und deren Ideologie im naturrechtlichen Gesellschaftsvertrag gründete.

So zog die Revolution nur die letzte - theoretisch und geschichtlich längst vorbereitete - Konsequenz, als sie den Staat ideenmäßig und sachlich aus allen historisch überlieferten Bindungen löste und damit auch aus der Unterstellung unter die Dynastie herausriss, in dem sie - wie Schnabel sagt - "die Souveränität in den abstrakten Staat selbst verlegte". Denn: "II n'y a point d'autorité supérieure a la loi". In diesem Augenblick war der Durchbruch von der Monarchie zur Demokratie vollzogen; denn der Staat beruhte seitdem nicht mehr auf einer Dynastie, sondern wurde von der Gesamtheit eines Volkes getragen.

Diese Nation war in ihrer Struktur nicht mehr korporativ aufgegliedert wie im Mittelalter, sondern gleichheitlich geartet, wie es sich ergab aus der rationalen Entwicklung der Aufklärungsbewegung [1] , welche ja die Revolution unmittelbar vorbereitet hat. Indem die große Umwälzung in erbarmungsloser Folgerichtigkeit das "Werk der Könige zu Ende führte, gelangte die Nation dazu, sich in der Souveränität des Staates zu vollenden und diesen gleichzeitig zum Hort der Rechtsgleichheit aller Bürger zu machen. Seitdem der Dritte Stand 1789 die Abstimmung nach Ständen verworfen hatte, war die Unteilbarkeit der Nation zum Ausdruck gebracht und mit ihr der Aufgabenbereich des modernen Konstitutionalismus umschrieben. Mit dem darin enthaltenen Gleichheits- und Einheitsbegriff war der Nationalgedanke des liberalen Zeitalters geschaffen worden mit seiner individualistischen Vorstellung vom modernen Rechtsstaat. Dieser neue, demokratische Staat der Revolution war, wie Franz Schnabel es in einem seiner universalen Überblicke über die Strukturgrundlagen der abendländischen Welt formuliert hat, "der in gemeinsamer Arbeit immer neu sich schließende Bund einer überindividuellen Gemeinschaft, die ihrer Eigenart und Besonderheit auch gegenüber den anderen Völkern sich bewusst ist. Weil er durch die Grundsätze der Vertretung und der Rechtsgleichheit vertieft und gestärkt war, wurde der nationale Gedanke der beherrschende Gedanke des 19. Jahrhunderts." (Vgl. Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Freiburg (2. Aufl.) 1937, (3. Abschnitt: Die historische Bedeutung der Französischen Revolution), S. 110 und 113.)