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'Paris im Wettbewerb der europäischen Metropolen'
 
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Paris im Wettbewerb der europäischen Metropolen

Die Verhältnisse sind nicht eben zum besten bestellt. Paris scheint sogar an Boden zu verlieren, wie Brücher (1997, S. 10) im Hinblick auf die Stellung der französischen Hauptstadt innerhalb Europas angedeutet hat. Dies bestätigt sich, wenn man einige andere Metropolen zum Vergleich heranzieht. Paris nimmt zwar nach wie vor, nach London, hinsichtlich seiner internationalen Bedeutung eine Spitzenposition ein, steht aber unter erheblichem Konkurrenzdruck anderer Städte wie Amsterdam, Brüssel oder Frankfurt. Die Stadt leidet insbesondere unter der gelegentlich sehr schwerfälligen französischen Bürokratie, dem hohen Steuerniveau und selbst unter der mangelnden Fremdsprachenkenntnis ihrer Bewohner.

Die Neuschaffung von Büroflächen ist ein guter Indikator für die wirtschaftliche Dynamik von Metropolen. Betrachtet man die Situation in Paris, so war sie vor allem zu Beginn der 1990er Jahre, wie in anderen europäischen Großstädten auch, durch eine deutliche Rezession gekennzeichnet, die sich in rd. 4 Mio. m² ungenutzter Büroflächen niederschlug. Ab 1997 und besonders 1998 hat sich dann der Markt zwar deutlich belebt und die Nachfrage nach Büroflächen gerade durch ausländische Unternehmen hat zu einer gewissen Verbesserung der Situation geführt, allerdings betrifft dies in erster Linie die attraktiveren Standorte innerhalb der Region, wie beispielsweise das Département Hauts-de-Seine. Nach einem Maximum von 2,4 Mio. m² vermieteter Büroflächen im Jahr 2000 ist dieser Wert bis 2002 jedoch auf 1,5 Mio. m² gefallen; der Anteil leerstehender Büroflächen betrug Ende 2002 5,8 %, gegenüber 3 % Ende 2001. Gleichzeitig ist eine gewisse Interessensverlagerung zugunsten der weniger nachgefragten - und damit billigeren - Standorte zu beobachten. Insgesamt bleiben die Investitionen in diesem Bereich jedoch beträchtlich, wobei die hohen deutschen und nordamerikanischen Anteile auffällig sind.

Symptomatisch für wachsende Konfliktpotentiale im sozialen Bereich ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Immer größer werden die Anteile derer, die Sozialwohnungen beanspruchen und immer ärmer werden die Bewohner dieser Wohnquartiere, deren Anteil inzwischen rd. 40 % aller Mietwohnungen in der Ile-de-France ausmacht. Über 2,7 Mio. Menschen, also rd. ein Viertel der Gesamtbevölkerung des Pariser Großraums, wohnen heute in Sozialwohnungen. Gravierender als diese Zahl ist die Tatsache, dass die Einkommen der Mieter von Sozialwohnungen im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Region immer geringer werden. 1973 lagen sie rd. 8 % unter diesem Durchschnittswert, 1992 waren es 28 %, bei steigender Tendenz (Lacoste 1998, S. 2). Dies geht einher mit wachsender Arbeitslosigkeit, oft auch mit ethnischer oder sozialer Ghettoisierung. Vandalismus und steigende Kriminalität sind häufige Begleiterscheinungen. Die Aufgabe dieser Viertel durch Geschäftsunternehmen und teilweise sogar die öffentlichen Verwaltungsstellen ist gleichermaßen eine Ursache und eine Folge dieser Degradation. Trotzdem ist die sog. "Politik für die Städte" (Politique de la Ville) seit rd. 20 Jahren eine der Marschrouten der französischen Regierung, gleich welcher politischen Couleur. Sie schlägt sich u.a. nieder in Förderprogrammen für die Wohnungssanierung, Gestaltung von Freizeit- und Erholungsflächen und in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die vor allem den Handels- und Dienstleistungsbereich betreffen, jedoch innerhalb der verschiedenen Stadtgebieten sehr unterschiedliche Erfolge verzeichnen.

Auch die fünf Villes Nouvelles [1] , die im Raumordnungsplan 1965 als die wichtigsten Entwicklungspole des Großraums definiert worden waren und in denen insgesamt noch vor der Jahrtausendwende eine Einwohnerzahl von über 2 Mio. Menschen erreicht sein sollte, haben längst nicht alle Erwartungen erfüllt. Im Jahr 2000 betrug die Bevölkerungszahl von Cergy-Pontoise [2] , Evry [3] , Melun-Sénart [4] , Marne-la-Vallée [5] und Saint-Quentin-en-Yvelines [6] zusammengenommen lediglich knapp 735.000. Gerade hier haben sich teilweise sehr spannungsgeladene Nachbarschaftsverhältnisse entwickelt.

Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten zu den Villes Nouvelles im Großraum von Paris

Ville NouvelleZahl der Gemeinden Bevölkerung im Jahr 2000 Zahl der Unternehmen Zahl der Arbeitsplätze

Cergy-Pontoise11177 7263 50084 315
Evry480 4891 52347 042
Marne-la-Vallée26246 6076 900102 300
Saint-Quentin-en-Yvelines7143 1445 00080 961
Melun-Sénart1095 2722 28026 020
Gesamt58734 23819 203340 638


Internetquelle [7]

Das Fazit dieser Betrachtungen ist somit eher ein nachdenkliches. Frankreich macht sich in der Tat Sorgen um Paris, zu Recht. Zwar ist die Vorrangstellung innerhalb des eigenen Landes ungefährdet, und dies auf lange Zeit. Aber je mehr die vielfältigen Probleme der Stadt sichtbar werden, umso schwerer ist die eigentliche Ambition zu verwirklichen, in den Grenzen eines neuen Europa eine Art Vorrangstellung zu erobern oder zumindest nicht an Boden zu verlieren. Von daher wird verständlich, dass es auch von staatlicher Seite in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden ist um die Dezentralisation, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Paris verfügt gleichwohl im europäischen Kontext über eine Reihe von Trümpfen: seine Nähe zu den verschiedenen Entscheidungszentren, seine Stärken im Bereich des öffentlichen Verkehrswesens, die Bedeutung des historischen Rahmens, die Weltbedeutung auf dem Gebiet der Mode und der Kultur. Es bleibt zu hoffen, dass diese Trümpfe nicht durch eine Verschlechterung des sozialen Klimas in Gefahr geraten.