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'Gebremstes Bevölkerungswachstum - Anzeichen der Stagnation?'
 
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Gebremstes Bevölkerungswachstum - Anzeichen der Stagnation?

Status-quo-Prognosen der 1950er Jahre gingen von rd. 20 Mio. Menschen im Großraum Paris am Ende des Jahrtausends aus, eine Zahl, die aus Sicht der Raumplaner und -wissenschaftler für die Stadt den Kollaps bedeutet hätte. Eine gezielte Politik der Wachstumsbeschränkung und, damit verbunden, die ersten Schritte zur wirtschaftlichen Dezentralisierung zeigten schon zu Beginn der 1960er Jahre Wirkung. Die mehrfach nach unten korrigierten Prognosen einer Gesamtbevölkerung von weniger als 12 Mio. zur Jahrtausendwende haben sich inzwischen bestätigt.

Eine der wichtigsten raumordnungspolitischen Maßnahmen war die Schaffung der Rau-mordnungsbehörde DATAR (Délégation à l'Aménagement du Territoire et à l'Action Régionale) [1] im Jahre 1963 und die Erstellung eines regionalen Raumordnungsplanes für die Großregion Paris 1965. Damit verbunden war eine Untergliederung in verschiedene Verwaltungs- und Funktionszonen. Administrativ ist die Ile-de-France seither in acht Départements untergliedert, die sich in einer Ringsstruktur (Petite Couronne [2] = innerer Ring, Grande Couronne [3] = äußerer Ring) um den Kern-stadtbereich (Dépt. Paris [4] , früher Dépt. Seine) anordnen. Während die Verwaltungseinheiten seit-her weitgehend unverändert bestehen, wurden die Funktionszonen mehrfach an die sich wan-delnde Entwicklungsdynamik angepasst.

Abbildung 2:

Der Großraum von Paris

 

 

 

 

 

Internet-Quelle 

Abbildung 3:

Das Département Paris (75)

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [5]

Die Bevölkerung der Region Ile-de-France [6] ist zwischen 1954 und 1999 von 7,32 Mio. auf 10,95 Mio. angewachsen. An diesem Wachstum waren die verschiedenen Ringe in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt, wobei sich die Wachstumsdynamik im Verlauf der letzten Jahrzehnte verlagert hat. Im Bereich der Kernstadt (Dépt. Paris) ist seit 1954 (2,83 Mio.) eine kontinuierliche Abnahme auf (1999) 2,13 Mio. Einwohner zu verzeichnen. Im inneren Ring stieg demgegenüber die Bevölkerungszahl zwischen 1954 und 1999 von 2,73 Mio. auf 4,09 Mio., im äußeren Ring gar von 1,74 Mio. auf 4,79 Mio. an. Einer allmählichen Entleerung der Innenstadt stand somit ein kräftiges Wachstum an der Peripherie gegenüber.

Abbildung 4:

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [7]

Auffällig ist jedoch, dass in der Region Ile-de-France seit 1990 das Bevölkerungswachstum fast zum Stillstand gekommen ist. In Umkehrung der historischen Situation verzeichnet die Hauptstadtregion lediglich noch aufgrund eines relativ starken natürlichen Wachstums Bevölkerungszunahmen. 1998 wurde im Vergleich zum Vorjahr ein Geburtenüberschuss von rd. 90.000 Personen registriert. Hierbei spielt der hohe Anteil ausländischer Bevölkerung eine wichtige Rolle. Demgegenüber ist die Wanderungsbilanz in allen Départements der Ile-de-France, mit Ausnahme des Dépt. Seine-et-Marne, negativ. Im Zensusintervall zwischen 1982 und 1990 verlor die Region aufgrund von Wanderungsverlusten 49.000 Menschen (BISCHOFF 1997, S. 2), zwischen 1990 und 1999 wurde sogar ein Wanderungsdefizit von 494.000 Personen registriert.

Das Bild modifiziert sich bei detaillierter Betrachtung. Mit Blick auf die Gesamtbilanz zwischen der Region Ile-de-France und den übrigen Regionen des Landes verzeichneten im Zensusintervall 1990-1999 lediglich drei Regionen im Norden und Nordosten (Nord-Pas-de-Calais, Champagne-Ardenne, Lorraine) Verluste zugunsten der Hauptstadtregion. Alle übrigen Regionen, selbst die strukturschwache Auvergne, das Limousin oder Korsika, hatten in ihrer Wanderungsbilanz mit der Hauptstadtregion positive Salden.

Hinsichtlich der aktiven Erwerbsbevölkerung sieht die Situation völlig anders aus. Hier sind alle Regionen Frankreichs der Ile-de-France tributär, mit besonders hohen Zahlen in den westlichen und nördlichen Regionen. Von dieser Zuwanderung sind vor allem die jüngeren Altersgrup-pen betroffen. Fast ein Drittel der Bevölkerung zwischen 18 und 29 Jahren, die 1999 in der Ile-de-France gezählt wurden, sind seit 1990 zugezogen. Dieser Zuzug einer vorwiegend jungen Bevölkerung wirkt sich naturgemäß auch auf das natürliche Wachstum der Region aus.

Strukturdaten der Region Ile-de-France nach den Ergebnissen der Volkszählung 1999

IndikatorParisPetite couronneGrande couronneIle-de-France

Bevölkerung in Mio.2,134,044,7910,95
Bevölkerung < 20 J. %18,325,528,125,2
Bevölkerung 20-39 J. %36,031,629,531,5
Bevölkerung 60 & > J. %19,617,015,016,6
Ausländer %14,514,18,911,9
Einpersonenhaushalte %52,433,924,134,6
Natürliche Bevölkerungsbewegung, jährlich % (1)+ 0,55+ 0,88+ 0,86+ 0,81
Wanderungsbilanz, jährlich % (1)- 0,69- 0,75- 0,23- 0,51
Mehrfamilienwohnungen Anteil %95,277,847,570,8
Belegdichte Pers./Whg.1,872,402,682,38
Anteil der Wohnungseigentümer %30405844
Anteil Sozialwohnungen %15282022
Anteil Arbeiter % (2)7,6 16,317,914,8
Anteil Höhere Angestellte % (2)25,915,616,118,3

<//td><//tr>1 Durchschnitt 1990 - 1999; 2 Haushaltsvorstand.
(Quelle : INSEE) <//td><//tr>

Etwas anders stellen sich die Verhältnisse bei der älteren Bevölkerung dar. Nach der Volkszählung 1999 betrug der Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre in Paris fast 20 %, in der Region Ile-de-France lediglich rd. 16 %. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt (21,3 %) liegen diese Werte etwas niedriger, was insbesondere auf die Abwanderung der sog. Ruhestandsbevölkerung zurückzuführen ist. Tatsächlich war die Wanderungsbilanz dieser Altersgruppe zwischen 1990 und 1999 deutlich negativ, indem pro Jahr rd. 8000 Menschen mehr aus der Region ab- als zuwanderten.

Eine Besonderheit in der Hauptstadtregion besteht in der hohen Konzentration von ausländischer Bevölkerung. Laut offizieller Statistik lebten 1999 rd. 40 % aller in Frankreich registrierten Ausländer in der Region Ile-de-France, die damit 11,9 % nichtfranzösischer Bevölkerung aufweist (nationaler Durchschnitt 5,6 %). In der Kernstadt (Dépt. Paris) beträgt der Ausländeranteil 14,5 %, im Dépt. Seine-Saint-Denis sogar 18,7 %, wobei er in einigen Städten dieses Départements bis zu einem Drittel der Gesamtbevölkerung erreicht.

Der unterschiedlichen Dynamik des Bevölkerungswachstums in den verschiedenen Ringen entsprechen funktionale Wandlungen, die das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Großraums Paris tiefgreifend verändert haben. Die erhofften Leitlinien der Entwicklung werden durch den regionalen Raumordnungsplan (SDRIF, Schéma directeur de la région Ile-de-France [8] ) vorgegeben, der erstmals 1965 für die Gesamtregion erstellt wurde. Er erfuhr 1974 eine Neudefinition und wurde am 26.04.1994 in seiner derzeit gültigen Fassung erneut aktualisiert. Dies geschah interessanterweise nicht durch das Regionalparlament, sondern durch die zentralen Regierungsbehörden, also den Staat. Erst künftige Anpassungen bzw. Neugestaltungen des Raumordnungsplanes sollen in Eigenkompetenz durch die Regionen erfolgen.

Trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen in den verschiedenen Plänen zielten die Maßnahmenkataloge stets darauf ab, dem Konzentrationsprozeß entgegenzuwirken und funktio-nale Entflechtungen innerhalb der Hauptstadtregion zu fördern. Dies nicht nur hinsichtlich der räumlichen Bevölkerungsverteilung, sondern in gleichem Maße auch bezüglich der Standorte von Wirtschafts- und Dienstleistungsunternehmen. Zu den bereits angedeuteten Besonderheiten der historischen Entwicklung von Paris zählt die starke Konzentration von gewerblich-industriellen Unternehmen im inneren Stadtgebiet oder in der unmittelbaren Vorortzone (der sog. proche banlieue). Diese Standorte entsprachen nur selten modernen Erfordernissen oder ließen eine entsprechende Anpassung aufgrund räumlicher oder infrastruktureller Rahmenbedingungen nicht zu. Von Bedeutung wurden ab den 1960er Jahren auch die staatlichen Bestrebungen, im Zuge der décentralisation dem wachsenden Übergewicht der Hauptstadtregion entgegenzuwirken.