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'Das Beispiel der Plaine de France'
 
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Das Beispiel der Plaine de France

Die Betrachtung einiger Strukturmerkmale im Gebiet der sog. Plaine de France [1] , welche sich im Norden von Paris in den Departements Seine-Saint-Denis [2] (93) und Val-d'Oise [3] (95) erstreckt, lässt dies deutlich werden. Hinsichtlich der Altersstruktur weist das Dépt. Seine-Saint-Denis [4] in den unteren Alterstufen besonders hohe Werte auf. 28 % der Bevölkerung sind unter 20 Jahre alt (Kernstadt Paris 18,3 %). Das natürliche Wachstum betrug z. B. 1998 8,1 Promille, wobei die Geburtenrate mit 14,8 Promille deutlich über dem nationalen Durchschnitt (13,0 Promille) lag. Die Sterberate des Departements lag demgegenüber bei 6,7 Promille gegenüber 9,0 Promille im Landesdurchschnitt. Die Fruchtbarkeitsrate lag mit 1,74 Kindern leicht über dem landesweiten Mittelwert (1,70). Sowohl die Altersstruktur als auch ein vergleichsweise hoher Ausländeranteil mit einer deutlich über dem Durchschnitt liegenden Fruchtbarkeitsrate erklären diese natürliche Wachstumsdynamik, die das Migrationsdefizit deutlich überkompensiert.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist seit langem durch Ungunstfaktoren belastet. Im Jahre 1998 betrug das durchschnittliche jährliche Familieneinkommen (nach Steuerabzug) des Départements 12.000 Euro, gegenüber 16.300 Euro im regionalen Durchschnitt. Seit den 1980er Jahren haben sich dabei die innerregionalen Disparitäten ständig zu Lasten des Départements Seine-Saint-Denis verschlechtert, wobei die Situation in den Gemeinden mit hohen Anteilen an Altindustrie (z.B. La Courneuve und Aubervilliers) besonders ausgeprägt war.

Bedingt durch die Schließung oder Verlegung vieler Betriebe hat das Département seit den 1960er Jahren kontinuierlich Arbeitsplätze verloren. Auch wenn sich die Situation im Verlauf der 1990er Jahre wieder umgekehrt zu haben scheint (zwischen 1989 und 1999 wurden 12.500 Stellen geschaffen), so entsprachen die neuen Arbeitsplätze häufig nicht dem Profil der ortsansässigen Erwerbsbevölkerung. So überrascht es nicht, dass die Arbeitslosenrate seit vielen Jahren über dem Durchschnitt der Region liegt. Sie betrug Ende 2001 11,6 %, deutlich mehr als im regionalen (7,8 %) oder nationalen (8,8 %) Durchschnitt zum gleichen Zeitpunkt. Hinzu kamen große Probleme im Wohnungsbereich, obwohl der Anteil der Sozialwohnungen (HLM = Habitat à loyer modéré) bereits über ein Drittel des Bestandes betrug.

Abbildung 11:

Anteile der Sozialwohnungen (HLM) am Wohnungsbestand in der Ile-de-France.

En Ile-de-France, une résidence principale sur 4 est un logement social, soit un ratio supérieur de 60% à la moyenne nationale Au total il y a en Ile-de-France: 1.080.000 logements sociaux dont 890.000 HLM soit 29% du total des logements sociaux en France sur 2% du territoire national.

Internet-Quelle

Dem Département wurde in dieser Situation zwangsläufig seit geraumer Zeit besondere politische und raumplanerische Aufmerksamkeit zuteil. Was ihm zugute kam war eine relativ günstige Verkehrslage im Norden von Paris. Die beiden Flughäfen Le Bourget und Charles de Gaulle reichen beide in das Département hinein. Die bedeutenden Ringautobahnen (Boulevard Périphérique, A 86, La Francilienne) streifen bzw. durchlaufen das Département, die Fernautobahnen (A1 = Autoroute du Nord, A4 = Autoroute de l'Est) schaffen eine ausgezeichnete überregionale Anknüpfung. Ebenso ist die mehrfache Einbindung in das regionale Schnellbahn-Netz (RER = Réseau Express Régional [5] ) von großer Bedeutung.

Diese Rahmenbedingungen waren wichtige Voraussetzungen für die Entscheidung, auf den Industriebrachflächen der Plaine Saint-Denis ein neues Stadion für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 zu bauen. Die Entscheidung zugunsten dieses Standorts in Konkurrenz zu Marne-la-Vallée, Melun-Sénart, Nanterre und Tremblay-en-France trug eindeutig politischen Charakter. Dies schlug sich u.a. im Raumordnungsplan vom 26.04.1994 nieder, in dem die Plaine Saint-Denis mit dem Bau des Stadions als einer der "strategischen Standorte" (sites stratégiques) innerhalb der Region Ile-de-France definiert wurde (Beaufils 1998, S. 2). An diese Pole war die Erwartung geknüpft, dass sie Katalysatorwirkungen für eine eigenständige und nachhaltige Entwicklung in den betroffenen Gebieten haben würden.

Im Falle des Stadionbaus war diese Wirkung auf den ersten Blick beeindruckend. Bedingt durch die Terminvorgabe (Durchführung der Weltmeisterschaft zwischen dem 10.06. und 12.07.1998) wurde innerhalb kürzester Zeit eine der größten Baustellen der ganzen Nation eingerichtet. In Rekordzeit (31 Monate) wurde auf einer Fläche von 17 Hektar ein Stadion für 80.000 Zuschauer erbaut. Im Umfeld dieser Arena wurde die Infrastruktur großzügig verändert. Die Autobahn Nord (A1) wurde auf einer Länge von 1,7 km übertunnelt. Neu entstanden ist die moderne Bahnhofsanlage Stade de France - Saint-Denis der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF, die auch vom regionalen Schnellverkehrsnetz RER (Linie D [6] ) genutzt wird. Auf der Linie B des gleichen Netzes erfolgte im Stadionbereich die Verlegung der ehemaligen Station La Plaine (nunmehr in La Plaine-Stade de France - Saint-Denis-Aubervilliers umbenannt), um eine bessere Anbindung zu erreichen. Zusätzlich wurde die Station Porte de Paris (Bus und Metrostation) von Grund auf renoviert, um nur die wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsanbindung zu nennen. Zu erwähnen ist auch die Anlage von Grün- und Parkflächen auf einem Gelände von über 40.000 m² sowie die Schaffung eines Rückhaltebeckens mit einer Kapazität von 165.000 m³ unter dem Stadion zur Hochwassersicherung des Stadtviertels.

Abbildung 12:

Das Stade-de-France am Tage der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 1998

 

 

Internet-Quelle [7]

Die Frage nach der Katalysatorwirkung des Stadionbaus ist nur schwer abzuschätzen. Richtig ist, dass z.B. in unmittelbarer Nähe des Stadions das größte Sportartikelgeschäft Europas, ein großer Kino- und ein moderner Hotelkomplex, mehrere Fastfood-Restaurants mit jeweils Hunderten von Plätzen u.a. Einrichtungen entstanden sind, die in engem Zusammenhang mit dem Stadion stehen. Dadurch wurden rd. 300 Arbeitsplätze geschaffen. Ein Problem könnte jedoch sein, dass dem Stade de France keine Dauernutzung beschieden ist, da es keinem Fußballverein direkt zugeordnet ist. Einmalig in Frankreich ist die Tatsache, dass sich der Staat für die Betreibung dieses Stadions verpflichtet hat, dass er also auch aus Steuermitteln die roten Zahlen wird ausgleichen müssen, falls die Nutzung durch internationale Großveranstaltungen hinter den Erwartungen zurückbleibt. Frankreich hat es sich etwas kosten lassen, am 12. Juli 1998 hier als Weltmeister gefeiert zu werden. Ob damit das negative Image, mit dem das Département Seine-Saint-Denis aufgrund seiner ungünstigen Bevölkerungs- und Wirtschaftsstrukturen im Verlauf vieler Jahrzehnte mehr und mehr belastet war, bereits überwunden ist, bleibt abzuwarten.

In mancherlei Hinsicht ist das, was sich im Département Seine-Saint-Denis im Verlauf der letzten Jahre vollzogen hat, symptomatisch für die Hauptstadtregion schlechthin. Paris hat stets nur punkthaft besonderen Glanz verbreitet, hatte gleichzeitig aber auch viele Schattenseiten, die man allzu gerne verschwieg und die bei oberflächlicher Betrachtung auch nicht sonderlich auffielen. Welcher Tourist kennt schon die Arbeitervororte wie La Courneuve [8] oder Gennevilliers, wer wagt sich in die Cité des Bosquets in Montfermeil [9] , um das selbst die flics (Polizei) am liebsten einen Bogen machen würden, wer betrachtet die dem Verfall preisgegebenen Altindustriestandorte von Aubervilliers oder Boulogne-Billancourt, wen zieht es in die heruntergekommenen Viertel des Pariser Ostens mit seinen z.T. slumähnlichen Wohnquartieren, die erst allmählich im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen verschwinden?

Abbildung 13:

Une petite gare à la campagne... [10]  non, juste avant Aubervilliers, et juste après le dépotoir au dessus!

 

 

 

Abbildung 14:

Aubervilliers, Quartier Cristino Garcia Landy. Un site interstitiel, comportant les traces d'un parcellaire et d'un bâti dont il faudra faire l'évaluation, est donné comme une structure urbaine mixte riche à conserver et à valoriser.