- Politische Struktur, Zentralismus, Dezentralisierung
- Die Saarfrage in historischer Perspektive
- Grenzraum Saar-Lor-Lux - eine Modellregion für Europa?
- Einleitung
- Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt
- Grenzüberschreitende Unternehmensverflechtungen - Allgemeine Hintergründe
- Fallstudie Fordwerk Saarlouis (Ford Industrial Supplier Park) und MCC Hambach (Smartville)
- Existenz eines grenzüberschreitenden - Produktionssytems auf regionaler Ebene?
- Sozio-kulturelle Einbettung der neuen Produktionsbeziehungen
- Der saarländisch-lothringischen Grenzraum: eine Automobilregion mit gemeinsamen Produktionssystemen und grenzüberschreitenden Unternehmenskulturen?
- Zusammenfassung
- Quellen
- Grenzregionen zwischen Frankreich und Deutschland: Das Beispiel des Elsass und der Oberrheinregion
- Deutsche Zuzügler im südlichen Elsass - Probleme der Europäisierung des Immobilenmarktes
- Kapitalverflechtungen im europäischen Integrationsprozess, dargestellt am Beispiel der elsässischen Oberrheinregion
- Energie und Umwelt in Frankreich und Deutschland
- Regionale Beispiele
- Paris & Berlin - Hauptstadtporträts
'Grenzüberschreitende Unternehmensverflechtungen - Die Automobilindustrie im saarländisch-lothringischen Grenzraum '
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Grenzüberschreitende Unternehmensverflechtungen - Die Automobilindustrie im saarländisch-lothringischen Grenzraum
Neue Automobilmontagewerke oder Zweigbetriebe hat die Fahrzeugindustrie in den vergangenen dreißig bis vierzig Jahren mithilfe staatlicher Finanzhilfen, aber auch aufgrund anderer Standortvorteile, wie gute infrastrukturelle Ausstattung und das Vorhandensein geschulter Industriearbeitskräfte, häufig in Regionen aufgebaut, die vom industriellen Niedergang betroffen waren. Gleichzeitig entstanden in diesen Regionen viele Betriebe der Automobilzulieferindustrie.
Dies gilt auch für die beiden Montanregionen Saarland und Lothringen, wo in den letzten 40 Jahren jeweils rd. 80.000 Arbeitsplätze allein im Bergbau und der Eisen- und Stahlindustrie verloren gegangen sind. In beiden Regionen spielte die Fahrzeugindustrie eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Umstrukturierung. Im Saarland wurde Ende der 1960er Jahre am Standort Saarlouis ein Automobilwerk des Ford-Konzerns gebaut, im lothringischen Hambach, in unmittelbarer Nähe zur französisch-deutschen Grenze, vor wenigen Jahren das Smart-Montagewerk in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um ein Joint-venture von Daimler-Benz und Swatch, welches heute von MCC (Micro-Compact-Car), einer 100% Tochter des DaimlerChrysler-Konzerns betrieben wird.
Mit rund 150 Betrieben, meist Zweigwerke von Unternehmen, die ihren Sitz weder im Saarland noch in Lothringen haben (davon ca. 50 im Saarland und 100 in Lothringen) (vgl. Abb. 10) und zusammen rund 67.000 Beschäftigten, davon rd. 35.000 in Lothringen (nach Angaben des Conseil Economique et Social de Lorraine (2000, S. 98) nur etwa 20.000 Arbeitsplätze) und 32.000 im Saarland (Geppert 2000; EURES-Transfrontalier [1] / INFO-Institut 2000), belegt die Branche in beiden Regionen eine führende Stellung und hat die Montansektoren Bergbau, Eisen und Stahl hinsichtlich Umsatz, Beschäftigung, Beitrag zum BIP bei weitem überflügelt, so dass das Saarland und Lothringen, manchmal auch beide zusammen als "Automobil-Region" bezeichnet werden. Dabei wird dieses Image sowohl nach innen wie nach außen kommuniziert.
Diese Entwicklung der Automobilindustrie geht mit einem tiefgreifenden räumlichen und organisatorischen Wandel der Produktionsbeziehungen einher. Als wesentliche Elemente dieses Wandels können genannt werden (vgl. Dicken, Hudson und Schamp 1995):
- die gewachsene Internationalisierung/Europäisierung der Lieferantenbeziehungen (supply chains),
- die Einführung sog. "schlanker Produktionskonzepte" ("lean-production"),
- die vertikale Desintegration der Produktion durch sog. "Outsourcing",
- die Hierarchisierung der Zulieferer, wobei wir unterscheiden können zwischen den sog. erstrangigen ("first-tier") Komponenten- oder Systemlieferanten, die langfristig, in der Regel für eine ganze Modellgeneration komplette Systemkomponenten liefern, von Beginn an in die Modellentwicklung und die Planung und Organisation des Produktionsprozesses eingebunden sind und damit eine wichtige strategische Stellung einnehmen, und den nachrangigen, kurzfristig austauschbaren Lieferanten von Einzelteilen,
- die Entwicklung neuer technischer und logistischer "Just-in-sequence" Konzepte, d.h. die zeitpunkt- und reihenfolgegenaue Anlieferung von Komponenten während des Montagevorganges durch die in unmittelbarer Nähe angesiedelten Systemzulieferer sowie
- neue Formen von Arbeitsbeziehungen, wie z.B. Gruppenarbeit.
Um den hohen Anforderungen der "Just-in-time"-Produktion, d.h. der zeitgenauen Anlieferung von Teilen und Komponenten in den Fahrzeugmontagewerken genügen zu können, kam es zu einer Konzentration der wichtigsten Zulieferer rund um die Montagewerke, teilweise in eigenen Zuliefererparks (s.u.). Angesichts dieser Konzentration in beiden Regionen und deren wirtschaftsstrukturellen Ähnlichkeit sowie der gemeinsamen wechselvollen Geschichte als Grenzregionen könnte man vermuten, dass die Automobilindustrien beiderseits der Grenze miteinander intensive Beziehungen unterhalten und gemeinsame Produktionssysteme entwickelt haben. Diese Hypothese soll nun unter dem Aspekt gemeinsamer oder unterschiedlicher Unternehmens-, Produktions- und Arbeitskulturen am Beispiel der beiden Automobilmontagestandorte Fordwerk Saarlouis/Ford Supplier Park und MCC /Smartville überprüft werden.