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'Repression, Kontrolle, Betreuung'
 
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Repression, Kontrolle, Betreuung

Generell waren Ausländer noch stärker als Einheimische der Willkür des NS-Staatsterrors unterworfen, wie sich insbesondere an den Sanktionen zeigt, die ihnen drohten. Alle Ausländer unterstanden zum einen den 1938 erweiterten und verschärften Bestimmungen des Ausländerrechts und den Zugriffsmöglichkeiten der Ausländerpolizei, zum anderen galt ihnen eine erhöhte Aufmerksamkeit des weitverzweigten Überwachungs- und Spitzelapparats der Gestapo und des SD, der den nationalsozialistischen Alltag ohnehin bestimmte. Selbst Leib und Leben von Ausländern galten de facto nicht viel. Es kam durchaus vor, dass Polen, Ostarbeiter und italienische Militärinternierte, aber in überlieferten Fällen auch Franzosen Misshandlungen und Schikanen nicht überlebten, ohne dass die Justiz je bemüht worden wäre. Per Erlass vom 1.11.1944 gestattete das RSHA der örtlichen Gestapo standrechtliche Exekutionen, mündlich waren derartige Befehle schon weit früher erteilt worden. Das "Standrecht ohne Standgericht", das sich ab Herbst 1944 in den Großstädten zu entwickeln begann, richtete sich dabei gegen alle "Fremdvölkischen“.

Mitteilung des Werkdirektors des Reichsbahn-Ausbesserungswerks Bremen über eine Geldbuße vom 13.2.1943

Quelle: BORIES-SAWALA, Helga, Franzosen im "Reichseinsatz" Deportation, Zwangsarbeit, Alltag. Erfahrungen und Erinnerungen von Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern, 3 Bde, Frankfurt/Main 1996, Bd. 3, p. 258

Unterhalb dieser extremen Willkür, die weder Kriterien noch Instanzen kannte und verstärkt am Kriegende manifest wurde, gab es ein System mehr oder weniger „geregelter“ Sanktionen. Sie reichten von Lohnabzügen und Kürzung von Rationen im Lager oder Betrieb bis hin zur Einweisung in eines der berüchtigten „Arbeitserziehungslager“, z.B. wegen "Arbeitsbummelei", ohne förmliches Verfahren. Die weitaus überwiegende Zahl der Häftlinge waren Ausländer und die Existenz dieser Lager hatte sich als Bedrohung überall herumgesprochen. Das betriebliche Überwachungssystem aus Werkschutz und SS fungierte in enger Zusammenarbeit mit der Gestapo, die immer wieder auf umfassenden Informations- und Eingriffsrecht bestand. Mancher Betriebsführer sah übrigens mit wachsendem Arbeitskräftemangel im Eingreifen der Sicherheitsorgane mehr Nachteile als Vorteile für den Arbeitseinsatz. Kam es zu Gerichtsverfahren, wurde zynischerweise den Ausländern strafverschärfend vorgeworfen, sie hätten das ihnen in Deutschland gewährte Gastrecht missbraucht.

Gerade das Beispiel der "Arbeitserziehungslager" zeigt deutlich, dass der staatliche Terror und die omnipräsente Möglichkeit willkürlicher Zugriffe durch die Gestapo mehr als wettmachten, dass eine lückenlose Kontrolle der Ausländer „auf Schritt und Tritt“ im Alltag unmöglich war. Während man sich, was die Sanktionen anging, ganz auf Gestapo und SS verließ, bezog man in der "Prävention" und "Betreuung" dankbar die französischen Strukturen wie die mission Scapini für die Kriegsgefangenen und die délégation Bruneton als Transmissionsinstanzen ein. Diese für die Zivilarbeiter zuständige Vichy-Institution war von Beginn an ein Kind der Kollaboration und verschmolz schließlich auch organisatorisch mit der DAF. Sie betrieb seine Hauptaktivitäten in den Bereichen, in denen die Deutschen ihr wohlkalkulierte Entfaltungsmöglichkeiten einräumten: bei sozialen (Kinderheime, Unterstützung der Familien), kulturellen (Sprachkurse, Vorträge, Bibliotheken) und sportlichen Aktivitäten und vor allem der Verbreitung von Kollaborations-Propaganda. Über die Zulassung kollaborationistischer Zeitungen aus der Heimat hinaus betrieben die deutschen Behörden aber auch eigene Propaganda, z.B. in der Zeitschrift Le Pont.

Durch die Unterbringung in Gemeinschaftslagern, teils in festen Gebäuden, überwiegend aber in Baracken, konnten die Ausgabe von Lebensmitteln, der Empfang von Päckchen und Post und, trotz freien Ausgangs, auch die Freizeitgestaltung der ausländischen Zivilarbeiter einschließlich des Zeitpunkts ihrer nächtlichen Rückkehr ins Lager kontrolliert werden. Die französischen Lagerverbindungsmänner der délégation Bruneton sollten auch für Ordnung, Sauberkeit und Disziplin in den Unterkünften gerade stehen. Solche Aufgaben hätte auch die französische katholische Seelsorge übernehmen können, die von der deutschen Seite aber ihrerseits als "Sicherheitsrisiko" bewertet, und folgerichtig Opfer deutscher Repression und objektive Weggefährtin des Widerstandes wurde.

Die Gestapo hätte am liebsten durchgesetzt, dass auch die westlichen Zivilarbeiter wie Ostarbeiter und Kriegsgefangene ihre Freizeit im Lager verbrachten. Da man sie aber nicht einsperren konnte, sollten zumindest Angebote gemacht werden wie z.B. Deutschunterricht, Theater- und Musikdarbietungen, und vor allem Sport. Das Augenmerk der deutschen Behörden bei den Zivilarbeitern, und später auch bei den Kriegsgefangenen, in dem Maße, wie auch sie größere Freizügigkeit genossen, war darauf gerichtet, dass abends und am Wochenende nicht die befürchteten "Gefahren" für das "Volkstum" und für "öffentliche Sicherheit" Wirklichkeit wurden. Die paranoide Sorge um die "Reinheit der arischen Rasse" warf auch die Frage auf, mit welchen staatlichen Mitteln man die höchst unerwünschten Kontakte deutscher Frauen zu westlichen Zivilarbeitern unterbinden sollte. Ein scharfes Verbot und drakonische Strafen, wie sie für die Ostarbeiter und die Kriegsgefangen galten, verboten sich aus diplomatischen Gründen, es kam aber dennoch zu Sanktionen. Zur „Gefahrenabwehr“ richtete man außerdem spezielle Ausländerbordelle ein, die Zivilarbeiter, aber auch französische Kriegsgefangene (unter Bewachung und in Gruppen) besuchen konnten.

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