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'Die sog. Heimatfront'
 
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Die sog. Heimatfront

Neben der militärischen Front bildete sich bald nach Kriegsbeginn eine zweite "Front" heraus: die sog. Heimatfront. Die Neuartigkeit dieses Krieges, die sich nicht nur im Einsatz bisher nicht gekannter Waffensysteme niederschlug, fand ihren Ausdruck auch darin, dass im Laufe des Krieges hinter der Front, in der Heimat, alle Bereiche des menschlichen Lebens und alle materiellen Ressourcen auf bisher nicht gekannte Weise mobilisiert wurden. Nicht nur, dass alles, was zur Rüstung und Versorgung der Truppen beitragen konnte, absolute Priorität hatte; auch "die geistige Mobilisierung" der Bevölkerung war Teil eines umfangreichen Programms, das die Menschen zu Hause alle Beschwerlichkeiten des täglichen Lebens - immer schlechter werdende Versorgung mit Lebensmitteln, Heiz- und Brennstoffen - ertragen ließ und zugleich deren Durchhaltebereitschaft und Siegeszuversicht verstärkte oder doch bewahrte.

Zahllose Spendenaufrufe zur Unterstützung der vom Einfall der russischen Truppen besonders betroffenen Bevölkerung in Ostpreußen und anderer Personengruppen und der steigenden Zahl Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebener, zur Zeichnung der insgesamt neun Kriegsanleihen [1] , dazu sog. lokale „Opfertage" stellten den Patriotismus der "kleinen Leute" auf eine harte Probe. Denn, so hatte es den Anschein, je mehr sie spendeten, um so mehr wurde von ihnen erwartet.

Denn, so hatte es den Anschein, je mehr sie spendeten, um so mehr wurde von ihnen erwartet. Auch in Frankreich wurde die Bevölkerung immer wieder zu freiwilligen Spenden [2] aufgefordert.

Mit dem Nageln sog. hölzerner Kriegswahrzeichen [3] , mit dem Besuch verschiedener Kriegsausstellungen und Musterschützengräben und der Teilnahme an "vaterländischen Volksabenden" war immer auch die Aufforderung zum Spenden für diesen oder jenen Zweck verbunden; darüber hinaus waren dies demonstrative Gesinnungsakte, mit denen man seinen ungebrochenen Patriotismus öffentlich bekannte. Appelle, in privatem Besitz befindliche Edelmetalle und alle Arten von Schmuck abzuliefern, an dessen Stelle man eisernen Schmuck trug ("Gold gab ich für Eisen!"), ließen erkennen, dass die Regierung mit einem langen Krieg nicht gerechnet hatte.

Als dann auch noch die großen Schlachten des Jahres 1916 nicht den erhofften Sieg und auch nicht die Rückkehr vom Stellungskrieg zum Bewegungskrieg brachten, war unübersehbar, dass vor allem in den großen Städten die Unzufriedenheit der Menschen wuchs, die Loyalität gegenüber den Obrigkeiten erste Risse erkennen ließ und deren Autoritätsverlust deutlich sichtbar wurde. Im Winter 1916/17 war es um die Versorgung vor allem der städtischen Bevölkerung mit Lebensmitteln derart schlecht bestellt, dass die Kohlrübe über Monate hinweg zum Hauptnahrungsmittel wurde. Hamsterfahrten aufs Land gehörten zur Überlebensstrategie der städtischen Bevölkerung, weil die zugewiesenen Lebensmittelrationen einfach nicht ausreichten und manche Ladeninhaber ihre Waren unverhältnismäßig verteuerten.

Wer über genügend Geld verfügte, konnte sich immer noch fast alles leisten, während die Hamsterer bei ihrer Rückkehr in die Stadt oftmals von Polizeikontrollen gefilzt wurden und ihre mühsam und mit wertvollen Tauschwaren ergatterten Lebensmittel abgenommen bekamen. Dieweil kamen die großen Schieber und Spekulanten ungeschoren davon. Große Verbitterung machte sich breit und ließ erkennen, dass die vorgebliche Solidarität innerhalb der "Volksgemeinschaft" nur ein dünner Firnis gewesen ist, der die Fortdauer der gesellschaftlichen Ungleichheit nicht dauerhaft überdecken konnte. Unzählige Beispiele können deutlich machen, dass ein moderner Krieg wie der Erste Weltkrieg nicht nur mit Waffen an der Front geführt und gewonnen wird. Auch die "Heimatfront" wird in diesen ersten totalen Krieg mit einbezogen. Dort, an der "Heimatfront", wird mit Beginn des Krieges alles auf die neue Situation ausgerichtet: die Kriegswirtschaft dominiert die Produktion, kriegswichtige Transporte haben immer Vorfahrt, die Menschen arbeiten mehr "im Dienste des Vaterlandes", sie sind bereit, auch private Mittel einzusetzen, um zum Sieg beizutragen.

 

 

 

 

 

Quelle: Les affiches de la Grande Guerre; direction: Véronique Harel, Péronne 1998, S.22, 36.

"Krieg und Küche" [4]

Kriegsküche eines Betriebes - 1914 und 1918 im Vergleich [5]

"Das letzte Brot" [6]

"Der letzte Hieb" - Aufforderung zur Zeichnung der 8. Kriegsanleihe [7]

Versorgung der hungernden Stadtbevölkerung in Berlin 1918 [8]

Lebensmittelverteuerung [9]