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'Abschied von der Romantik'
 
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Abschied von der Romantik

Polens Beitritt zur Europäischen Union stellt auch einen Einschnitt für das Weimarer Dreieck dar. Nachdem Frankreich, Deutschland und Polen am 28. August 1991, also an Goethes Geburtstag, in der thüringischen Stadt gleichsam ihre Wahlverwandtschaft bekundet hatten und einen lockeren Konsultationsverbund bildeten, schob sich bald ein zentraler Beweggrund des trilateralen Miteinanders in den Vordergrund: Deutschland und Frankreich übernahmen ostentativ gesamteuropäische Verantwortung und brachten ihre Bereitschaft zum Ausdruck, sich für die Heranführung und später Eingliederung Polens in die europäischen Strukturen einzusetzen. Dieses Ziel ist nunmehr erreicht, die Erweiterung der Europäischen Union macht Polen definitiv zum gleichberechtigten Gegenüber Frankreichs und Deutschlands. Mehr noch: Die europäischen Verhältnisse haben sich seit Beginn des vergangenen Jahrzehnts substantiell verändert - und mit ihnen auch die Motive der drei "Weimarer Länder".

Abbildung 1:

Präsident Jacques Chirac, Präsident Aleksander Kwasniewski und Kanzler Gerhard Schröder beim Treffen des "Weimarer Dreiecks" in Breslau 2003

 

Quelle: DIALOG 66/67 (2004:12)

Frankreich war seinerzeit darauf bedacht, Deutschland von eventuellen Alleingängen im östlichen Mitteleuropa abzuhalten. Über das Dreieck wollte Paris solchen Entwicklungen vorbeugen, da es die Chance sah, bei der Realisierung Deutschlands ost- und polenpolitischer Vorstöße miteinbezogen zu werden.

Das vereinigte Deutschland wollte durch den Weimarer Rahmen Kontinuität und Erwartungsverlässlichkeit demonstrieren: gegenüber Frankreich (und anderen westeuropäischen Partnern), indem man sich von einer Solistenrolle in Mitteleuropa distanzierte, gegenüber Polen (und anderen ostmitteleuropäischen Ländern), indem signalisiert wurde: Deutschland wird nicht danach trachten, einen Sonderweg zu gehen, sondern wird gerade im Umgang mit seinem östlichen Nachbarn auf die Abstimmung mit Frankreich setzen. Als Polen eine reale Beitrittsperspektive erhielt, ging es Deutschland darum, das vertiefungsorientierte und erweiterungsskeptische Frankreich mit ins Boot zu bekommen.

Polen wiederum war es mehr als recht, bei der Neugestaltung der Beziehungen zu Deutschland neben der bilateralen Schiene auch auf einem Dreiergleis fahren zu können, das es unter Umständen ermöglichte, neohegemoniale Tendenzen des neuen Deutschlands vermittels französischer Präsenz auszubalancieren. Spätestens seit Mitte der 90er Jahre rückte auch hier der Beitrittskontext in den Interessenfokus: Polen rechnete sich aus, durch einen effektiv funktionierenden Weimarer Rahmen und im Zusammenspiel mit Deutschland Frankreichs erweiterungspolitische Zurückhaltung überwinden zu können.

Abbildung 2

 

Vieles von dem ist mittlerweile Makulatur oder stellt sich zumindest in einem völlig anderen Licht dar als noch vor wenigen Jahren. Grund genug also, über Sinn und Zweck der Weimarer Zusammenarbeit nachzudenken, sich Klarheit über die Perspektiven der Dreierkooperation in der größeren EU zu machen. Hierzu sollen die nachfolgenden Beobachtungen und Thesen dienen.

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