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'Fernsehen im interkulturellen Dialog'
 
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Fernsehen im interkulturellen Dialog

ARTE bewegt sich im Vergleich zu den nationalen Fernsehprogrammen nicht nur im Grenzbereich zum „Imaginaire“, sondern auch zu den mentalen Schranken und Bruchstellen des interkulturellen Dialogs. So durchbricht die tägliche Nachrichtensendung „ARTE-Info" die jeweilige Kirchturmperspektive der nationalen Nachrichtensendungen, sie gewichtet Ereignisse unterschiedlich und ordnet sie anders ein. Durch den „Regard Croisé“ – den gekreuzten Blick deutscher und französischer Journalisten auf ein und dasselbe Ereignis – versetzt sie den Zuschauer in die Lage, mit den Augen des anderen diesen und sich selbst zu sehen. Sie zwingt ihn, seine gewohnten Sehmuster zu hinterfragen und damit auch seine liebgewonnenen Erklärungsmuster und Verhaltensweisen in Frage zu stellen.

Abbildung 4:

Das Arte-Info-Team. Die Nachrichtensendungen der von Gérard Saint-Paul geleiteten Chefredaktion werden von einem deutsch-französischen Team hergestellt und abwechselnd von deutschen und französischen Journalisten (Jürgen Biehle, Nathalie Georges, William Irigoyen und Simone von Stosch) live aus dem Straßburger Studio präsentiert.

Internet-Quelle [1]

Doch nicht nur Nachrichten, Magazine und Reportagen tragen zum Dialog zwischen beiden Gesellschaften bei. Auch Spiel- und Fernsehfilme öffnen die Augen für Themen und Fragen, die den Nachbarn bewegen; sie konfrontieren den Zuschauer mit Bildern einer Fernsehästhetik, die über bildliche Assoziationen zu neuen Sichtweisen führen kann. Dokumentationen und Dokumentarfilme bieten ein Forum der Beobachtung und Begegnung mit Menschen unterschiedlichster Erfahrungshorizonte und Lebensformen, die dann aus neuen Perspektiven zur Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen unserer Zeit herausfordern.

So lernt der französische Zuschauer in vielen deutschen Fernsehspielen eine Alltagswelt kennen, die weitaus differenzierter, widersprüchlicher, und lebensnäher ist, als die von hartnäckigen Stereotypen geprägte Vorstellung von einem konsensgesteuerten Wirtschaftsriesen. Und der deutsche Zuschauer stellt mit Erstaunen fest, dass längst nicht mehr Baguette und Gauloises die Lebenswelt französischer Jugendlicher bestimmen, sondern die gleichen Zukunftsängste wie diesseits des Rheins. Mit der Sendung „Histoire Parallèle“ hat ARTE ebenso Meilensteine zum besseren Verständnis des unterschiedlichen historischen Bewusstseins in Deutschland und Frankreich gesetzt, wie mit Dokumentationen und Dokumentarreihen zum Holocaust, zum Algerienkrieg, zum Vertriebenenproblem oder zu der Aufarbeitung des sozialistischen Erbes in Deutschland. Auf diese Weise ist in Frankreich allmählich ein differenzierteres Bild über die Auseinandersetzung der Deutschen mit dem Nationalsozialismus entstanden. In Deutschland ist klarer bewusst, wie sehr Geschichtsbewusstsein und Politik in Frankreich von der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit geprägt sind – auch und gerade mit Bezug auf die weitere Ausgestaltung der Europäischen Gemeinschaft.

Abbildung 5:

Das Magazin Histoire parallèle, von dem Historiker Marc Ferro moderiert, ist eine wöchentliche Sendung von ARTE (samstags, 19.00 Uhr), die sich den aktuellen Ereignissen in Europa in den Jahren 1948/1949 widmet. Sie gilt längst als einer der Meilensteine zum besseren Verständnis des unterschiedlichen historischen Bewusstseins in Deutschland und Frankreich.

Internet-Quelle [2]

Nicht zuletzt mit fast 1.500 Themenabenden hat ARTE eine Programmform geschaffen, mit der unterschiedliche Perspektiven, Sichtweisen, Erfahrungen und Erwartungen in eine fernsehspezifische Dialogform gebracht werden. Diese erlaubt es dem Zuschauer, sich aus einer ihm wenig vertrauten Perspektive mit einem Thema oder den großen gesellschaftlichen Gegenwarts- und Zukunftsfragen in beiden Ländern zu beschäftigen – und dies nicht erst seit dem 11. September 2001.

In einem weiteren Punkt unterscheidet sich ARTE von den nationalen Programmen. Während in diesen der jeweils nationale (deutsche oder französische) Blick auf Ereignisse oder Entwicklungen überwiegt – der Zuschauer also einen durch die Brille des Auslandskorrespondenten gefilterten Eindruck erhält –, bevorzugt ARTE den sogenannten authentischen Blick: Autoren, Regisseure, Produzenten aus anderen Ländern sollen mit ihren eigenen Worten und Bildern ihre jeweiligen Lebensverhältnisse beleuchten oder ihre Geschichten erzählen. So ist ARTE bemüht, in seinen Programmen die unterschiedlichen Identitäten zu wahren, zu zeigen, in Kontrast zu setzen und Europa in all seinen Facetten zu beleuchten.

Abbildung 6:

Der „Dialog der Kulturen“ findet heute auf unterschiedlichsten Wegen statt, wobei dem sog. Cyberspace eine besondere, nicht immer problemlose, Rolle zukommt. ARTE versucht, durch seine besondere Art der authentischen Betrachtung die Zuschauer in die Lage zu versetzen, sich ein eigenes Bild vom jeweils anderen zu machen und somit in einen (virtuellen) Dialog mit der jeweils anderen Bilderwelt treten zu lassen.

Internet-Quelle [3]

So soll der Zuschauer in die Lage versetzt werden, sich sein eigenes Bild vom jeweils anderen zu machen, sich damit auseinander zu setzen und somit in einen – zumindest virtuellen – Dialog mit der jeweils anderen Bilderwelt zu treten. Auf diese Weise kann Fernsehen einen Beitrag zum Dialog der Kulturen leisten: Nicht nur durch sachliche Information, sondern auch durch die Möglichkeit, in die Lebens- und Vorstellungswelt anderer Nationen und Kulturen einzutauchen. Dieser Perspektivenwechsel zwingt Autoren und Zuschauer, auf die rein nationale Sicht zu verzichten und sich dem anderen gegenüber zu öffnen. Deshalb bilden „Offenheit“ und „Respekt“ nicht nur die neuen Leitwerte des Fernsehsenders ARTE, sondern sind Grundhaltungen auf dem Weg zu einer dialogfähigen europäischen Öffentlichkeit.