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'Ein neuer Kontext'
 
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Ein neuer Kontext

Das politische Leben geriet zwei Jahre lang in Unruhe, nachdem Bismarck damit gedroht hatte, Elsass-Lothringen einen neuen Verfassungsstatus zu verleihen. Das fand 1887 seinen Niederschlag in der Wahl einiger protestierender Abgeordneter in den Reichstag. Im Jahr darauf wurden Passkontrollen für Franzosen eingeführt, die sich ins Elsass begeben wollten. Doch schon bald legte sich die Erregung und es begann eine ruhigere Zeit, die durch langwierige Verhandlungen über die neue Verfassung gekennzeichnet war. Diese wurde schließlich im Mai 1911 erlassen und verlieh dem Elsass eine gewisse Autonomie sowie das Recht zur Wahl (durch allgemeines direktes Wahlrecht) eines in Strabburg tagenden Landtags.

Die Neuorientierung des politischen Lebens im Elsass erfolgte zu einer Zeit bedeutender wirtschaftlicher Entfaltung. Besonders im Bereich von Industrie und Handel wurden Impulse sichtbar, namentlich in Strabburg, wo sich mehrere moderne Großindustrieunternehmen niederlieben, wie zum Beispiel die Gerbereien in Lingolsheim und die Eisengießereien in Koenigshoffen. Die wirtschaftlichen Fortschritte, die von allen Einwohnern wahrgenommen wurden, trugen erheblich zu einem die politische Diskussion beruhigenden Klima bei.

Abbildung 21:

 

 

 

 

 

 


Quelle: D. Poncin: En pays mal conquis: Les Allemands vus par l'Alsacien Jean-Jacques Waltz, dit Hansi. Poitiers (La Licorne) 1994

Schlieblich war es auch die Zeit eines Generationenwechsels. Von 1890 an erreichte eine Generation das Erwachsenenalter, die das französische Regime niemals gekannt hatte. Was sie von Frankreich wusste, kam von dem, was ihre Familien erzählten. 

Zwei Zeugen jener Zeit berichten über diesen tiefgreifenden Wandel. Der elsässische Pastor Frédéric Eccard, gleichzeitig auch Jurist und Politiker, gehörte zum liberalen, frankophilen Bürgertum. Er schrieb: « Bei den Elsässern der neuen Generation ist der französische Einfluss immer noch vorherrschend, er kann aber nur durch die Eltern oder die Freunde in Frankreich ausgeübt werden ... Die Generation, die 1895 das Erwachsenenalter erreicht hat, war mit der französischen und der deutschen Kultur in Kontakt. Sie gibt der ersten den Vorzug, kann aber die zweite nicht vernachlässigen ». 

Otto Flake, dessen Eltern "Altdeutsche" waren, hat sein Studium an der Strabburger Universität absolviert und gründete, zusammen mit dem Elsässer René Schickelé, mehrere Strabburger Zeitschriften, unter anderem den « Stürmer ». Er gehörte am Anfang des XX. Jahrhunderts zu jenen jungen Schriftstellern, die sich für die elsässischen Probleme interessierten und verkörperte die Einstellung der neuen deutschen Generation, die den elsässischen Realitäten mehr Gehör schenkte. Er äußert sich wie folgt: « Am Anfang des XX. Jahrhunderts steht der Germanisierung ein gewichtiger Gegner gegenüber, der über reichliche Mittel verfügt, nämlich die führende, frankophile Klasse, die sich um die Intellektuellen sammelt und verstärkt, welche das Verschwinden ihrer kleinen Welt wegen der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung befürchten. Sie sieht zwar ein, dass die Aussöhnung mit Deutschland Vorteile und Reichtum herbeiführen könnte, doch sie flüchtet in den Starrsinn, ist lieber bereit, ein Opfer zu bringen als eine Annäherung mit dem Verzicht auf die elsässische Identität zu bezahlen. 

Neben diesen unnachgiebigen Menschen gibt es auch andere, die bei Gelegenheit oder im Beruf engere Kontakte zu Deutschen hatten, oder einen unabhängigen Charakter haben, oder sich beruflich in einem Rahmen verwirklichen möchten, der über das Elsass hinausgeht. Durch den Zwang, Politik zu betreiben, muss man Deutschland, seine führenden Kräfte, seine staatlichen Einrichtungen als eine Realität hinnehmen, will man sich als führende Bürger nicht von den anderen sozialen Klassen absondern, die sich inzwischen, ohne dieses Bürgertum, der Politik zugewandt haben... 

Seit der Gründung des Reichs haben der Geschmack, der Entwicklungswille, der Liberalismus, die Selbstkritik in Deutschland unleugbare Fortschritte gemacht, es entsteht allmählich eine deutsche Lebensart. Ist diese einmal vervollkommnet, muss sie von den Elsässern anerkannt werden. Darauf hoffen die Deutschen ». 

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